Der schlechte Ruf des deutschen Gesundheitssystems in der Bevölkerung ist keine Neuigkeit mehr und kommt von den Angehörigen oder Pflegebedürftigen selbst, die ihre Erfahrungen dann in ihrer Umgebung weitertragen. Dies steht zum krassen Widerspruch zu den Notendurchschnitten des MDK‘s der deutschen Pflegeheime, Krankenhäuser und Pflegediensten, diese Noten sind überwiegend sehr gut bis gut.

Meine Erfahrung ist dabei, Hauptsache die Dokumentation stimmt, der Patient an sich wird kaum betrachtet, geschweige denn der Personalschlüssel. So kann es passieren, dass gute Pflege anhand der Benotung bestraft und schlechte Pflege belohnt wird.

Beispiel: Heim mit 10 Behandlungsfehlern – Dekubitus und einer gut geführten Dokumentation = MDK Note 1,3

Heim mit 0 Behandlungsfehlern und schlecht geführter Dokumentation = MDK Note 4,5

Der Personalschlüssel orientiert sich nicht an den individuellen Bedürfnissen der einzelnen Bewohner, sondern an bestimmten Anhalts-zahlen, welche noch aus der Einführung der Pflegeversicherung stammen. Nach lege artis zu arbeiten ist unter diesen Umständen nicht möglich, denn individuelle Pflege kann meiner Meinung nach nicht in Minuten abgerechnet werden. Im Pflegeversicherungsgesetz SGB XI gibt es nur sehr wenige oder unbestimmte Festlegungen zum Personalschlüssel und dieser wird Anhand einer Durchschnittszahl der Minuten für den Pflegeaufwand berechnet.

Da der Pflegeaufwand sich im Verlaufe der Erkrankung meistens mit den Jahren verändert oder Bewohner gar versterben, erhöht sich oder sinkt der Pflegeaufwand ständig. Dies macht das Errechnen und die Umsetzung des Personalschlüssels kompliziert. Angehörige, Pflegebedürftige und Pflegepersonal haben kein Einsichtsrecht in die Vorgabe des Personalschlüssels und aus meiner Erfahrung heraus haben oft nicht einmal die Leitungen das Interesse, diese Wege genau zu prüfen und zu errechnen. Bemerkbar ist nur, dass keine Veränderung stattfindet, auch wenn Bewohner plötzlich einen höheren Pflegeaufwand benötigen, sich aber am Personalschlüssel rein gar nichts verändert.

In der Praxis bedeutet dies, dass z.B. in der Nacht nur eine Pflegefachkraft und nur ein Pflegehelfer für 120 teilweise verwirrte und Pflegebedürftige Menschen Verantwortung tragen. Auch wenn die Neue Personalverordnung des Sozialministeriums vom Dezember 2015 bereits Veränderungen bewirkt hat, so spiegelt sich dies nach meinen Erfahrungen und Überlieferungen von Kollegen und Kolleginnen in vielen Einrichtungen noch nicht wieder. Es besteht weiterhin chronischer Personalmangel. Dies führt automatisch zur Überlastung und Unzufriedenheit der Pflegekräfte und einem hohen Krankenstand des Pflegepersonals, durch psychische oder körperlichen Erkrankungen.

Unter dem ständigen Zeitdruck und dauerstress leiden nicht nur die Pflegekräfte, sondern auch die Pflegebedürftigen. Nicht selten endet dies in einer körperlichen oder verbalen Gewalt. Je hilfsbedürftiger ein Mensch ist, desto mehr leidet er unter dem System. Fixierungen an demenziell erkrankten Bewohnern in der Pflege sind nicht selten. In Deutschland werden schätzungsweise 400.000 Menschen in Pflegeheimen fixiert, so die Erhebung im Rahmen des Projektes ReduFix. Die Pflegekräfte wissen durch chronische Unterbesetzung nicht, wie sie anders Sicherheit der Bewohner gewährleisten sollen und als Pflegefachkraft stehen Sie in der Verantwortungspflicht. Viele Demenz-erkrankte bekommen zur Ruhigstellung Neuroleptika, obwohl bekannt ist, dass diese die Erkrankung fördern und zum früheren Tode führen, sterbende Menschen werden einfach alleine gelassen, Auszubildende werden schon nicht richtig angelernt und werden als ganze Kräfte eingesetzt oder neue Mitarbeiter bekommen keine Einarbeitung. Eigentlich ganz gleich welchen Punkt man sich ansieht, es läuft vieles falsch.

In der ambulanten Pflege habe ich für mich die Erfahrung gemacht, dass ich dies psychisch besser verkrafte, als im Pflegeheim. Pflegebedürftige befinden sich in ihrer eigenen häuslichen Umgebung und wirken daher glücklicher und zufriedener, als in Heimen. Der Respekt wird eher vor dem Pflegebedürftigen bewahrt, weil das Pflegepersonal sich zu Gast in der privaten Wohnung befindet. Meistens sind Angehörige in unmittelbarer Nähe und können die ambulanten Pflegeeinsätze mehr kontrollieren.

Fast immer wird in der ambulanten Pflege SGB XI und SGB V getrennt, so dass Pflegehelfer sich um die Grundpflege und Hauswirtschaft kümmern und Fachkräfte um die Behandlungspflege.

In der ambulanten Pflege wird in Minuten berechnet, weshalb auch hier eine unzureichende Zeit für gute Pflege bleibt, das Pflegepersonal unzufrieden und überlastet ist, es zu Pflegefehlern kommt und einen hohen Krankenstand der Pflegekräfte zur Folge zieht. Im praktischen bedeutet dies beispielsweise, dass im Frühdienst ein Pflegehelfer ca 12 Klienten versorgt und eine Pflegefachkraft ca. 37 Klienten versorgt. Zu wenig Menschen möchten unter diesen schlechten Arbeitsbedingungen den Beruf der Pflegefachkraft erlernen und gleichzeitig findet ein demographischer Wandel in der Bevölkerung statt und die Anzahl der Pflegebedürftigen steigt stetig. Der Krankenstand des Personals wird immer höher, deshalb ist es wichtig als Unternehmer oder PDL sein eigenes Unternehmen und Verhalten zu überdenken und zu verbessern 


1 thought on “Eigene Erfahrungen in Bezug auf den Personalschlüssel in der Pflege

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